Stellungnahmen
Der CGB Bundesvorsitzende Henning Röders kommentiert: Die Aktivrente – eine fragwürdige Diskriminerung jüngerer Beschäftigter

Der CGB setzt sich dafür ein, dass ältere Menschen, die länger arbeiten wollen, über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten können. Für die CGB-Mitgliedsgewerkschaften ist diese Handlungsmaxime Richtschnur für ihre praktische Tarifpolitik. Der CGB hatte die Abschaffung der Hinzuverdienstgrenze für Rentner/innen ausdrücklich begrüßt gehabt. Eine Regelungslücke, die unbedingt geschlossen werden muss, sieht der CGB bei der Witwenrente, die es den vom Verlust ihres/ihrer Lebenspartners/in betroffenen Menschen faktisch unattraktiv macht, aus der Teilzeit- in die Vollzeitarbeit zu wechseln, da jeder über die Hinzuverdienstgrenze erzielte Mehrverdienst auf die Rente angerechnet wird. Ferner besteht im Beamtenrecht unbedingter Handlungsbedarf, weil auch hier noch sehr rigide Hinzuverdienstgrenzen bei erwerbsgeminderten/berufsunfähigen Beamten sowie bei Beamten im vorzeitigen Ruhestand bestehen.
Die von der Bundesregierung angestrebte Aktivrente dagegen stellt eine Begünstigung älterer Beschäftigter dar, die im Hinblick auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) rechtlich nicht haltbar ist.
Das AGG verbietet Diskriminierungen aufgrund des Alters und der Behinderung, die nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sind. Nach § 10 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Anforderungen an die Überprüfung des sachlichen Grundes steigen, je intensiver die Ungleichbehandlung die Betroffenen einschränkt.
Die Aktivrente stellt eine Bevorzugung von Rentnern/innen dar, die noch fit und in der Lage sind, einer Arbeit nachzugehen. Dagegen können Rentner/innen, die körperlich und/oder geistig nicht mehr in der Lage sind zu arbeiten, nicht in den Genuss eines steuerfreien Hinzuverdienstes von bis zu 2.000 Euro monatlich kommen. Der sachliche Grund für diese Ungleichbehandlung ist das anerkannte legitime Ziel der Bundesregierung, dem immer weiterwachsenden Fachkräftemangel durch die Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer Menschen entgegenzuwirken. Mit diesem Arbeitsanreiz tragen die älteren Beschäftigten dazu bei, dass Dienstleistungen und Produkte weiterhin auch für behinderte Rentner/innen angeboten und von diesen in Anspruch genommen werden können. Die Nichteinführung der Aktivrente trägt auch nicht zur Verbesserung von Jobchancen von Rentnern/innen mit Behinderung bei.
Mit dieser Begründung kann die Aktivrente als sachlicher Grund für die Benachteiligung behinderter Rentner/innen gelten. Auf einem Blatt steht aber die Frage, ob es nicht zielführender wäre, statt in die Einführung der Aktivrente in die Unterstützung bedürftiger Rentner/innen zu investieren. Mit der unbegrenzten Hinzuverdienstmöglichkeit ist bereits ein starker Anreiz für Arbeit im Rentenalter geschaffen worden. Dagegen drohen bedürftige Rentner/innen infolge weiterer Rentenkürzungen noch weiter in eine Spirale nach unten zu geraten. Die Schere zwischen gesunden und fitten Rentnern/innen, die sich eine Weiterarbeit im Berufsleben leisten können, und Rentnern/innen mit Behinderungen wird sich weiter öffnen.
Schwer wiegt dagegen die Diskriminierung jüngerer Beschäftigter. Wenn diese die gleiche Tätigkeit verrichten wie ihre Kollegen/innen im Rentenalter, dann besteht eine Ungleichbehandlung bei der Besteuerung des Arbeitseinkommens. Während die jüngeren Beschäftigten voll steuerpflichtig sind, genießen die Beschäftigten im Rentenalter mit der Aktivrente ein besonderes Steuerprivileg. Mit der Aktivrente würde der Staat einen erheblichen Eingriff in die Steuergerechtigkeit ausüben. Diese ist ein wesentlicher Grundsatz des Steuerrechts und spezieller Ausdruck des grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG!
Ein solcher Eingriff in den grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz bedarf einer besonders hohen Rechtfertigung. Es muss eine Verletzung eines Grundrechtes, das in dem konkreten Fall höher als der Gleichheitsgrundsatz wiegt, geheilt werden. Und hier liegt das Kardinalproblem der Aktivrente. Der Erhalt der Beschäftigungsquote hat keinen
grundrechtlichen Schutzstatus. Es droht auch keine Gefahr durch einen Zusammenbruch der Wirtschaft in Deutschland oder unseres demokratischen Rechtsstaates, die nur durch die Einführung einer Aktivrente geheilt werden kann. Schließlich stellt das Gebot der Steuergleichheit bei der Beschäftigung von Rentnern/innen keinen Eingriff in die Berufsfreiheit der Rentner/innen dar. Mit dem unbegrenzten Hinzuverdienst für Rentner/innen sowie der Befreiung von den Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen (Rentner/innen brauchen nicht mehr für ihr Alter vorzusorgen, und Rentner werden auch nicht arbeitslos) sind Diskriminierungstatbestände, die die freie Berufsausübung beeinträchtigen können, beseitigt worden.
Die Einführung einer Aktivrente kann auch nicht damit begründet werden, dass die steuerfreien Minijobs trotz des Abweichens vom Gleichheitsprinzip einer grundrechtlichen Überprüfung standhalten. Mit Minijobs wurde ein Arbeitsmarktinstrument geschaffen, das Arbeitgebern eine niedrigschwelligere Möglichkeit zur Schaffung von Jobs ermöglichen soll. Sie dienen u.a. dazu, erste Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt zu sammeln, sich beruflich zu orientieren oder einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Gerade Menschen mit einem niedrigeren Einkommen können mit Minijobs zusätzlich Geld für ihren Lebensstandard hinzuverdienen. Für Studenten/innen z.B. sind Minijobs geeignet, den täglichen Lebensunterhalt zu verdienen und damit die Möglichkeit zu haben, mit dem Studium die Voraussetzungen für den späteren Beruf zu schaffen.
Unabhängig davon, ob man den Minijob befürwortet oder ablehnt, gibt es Aspekte für eine sachlich tragfähige Rechtfertigung einer Abweichung vom Prinzip der Steuergerechtigkeit. Die Berufsfreiheit und – im Falle einer Absicherung des täglichen Lebensunterhalts – haben durchaus einen höheren Stellenwert als das Gleichheitsprinzip. Diese grundrechtliche Rechtfertigung fehlt bei der Aktivrente.
Mein Fazit: Die Einführung einer Aktivrente wäre ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters. Einer gerichtlichen Überprüfung wird meines Erachtens die Aktivrente nicht standhalten können.
Gedruckt am 13.10.2025 3:24.