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Die Berufsgewerkschaft DHV begrüßt Verzicht des Juristentages auf die Beschlussfassung zur Tarifeinheit

Die Berufsgewerkschaft DHV hat einen Beitrag zum Verzicht des 70. Deutschen Juristentages auf eine Beschlusslage zur Tarifeinheit geleistet.

Den Teilnehmern in der Abteilung Arbeitsrecht wurde zu Beginn der Beratungen ein Beschlussvorschlag vorgelegt, in dem sich der 70. Deutsche Juristentag für eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit auf Basis eines betriebsbezogenen Mehrheitsbegriffs aussprechen sollte. Danach soll der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft zum Zuge kommen, die im Betrieb die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder stellt.

In der Debatte ergriff der DHV-Bundesvorsitzende Henning Röders unmittelbar das Wort. In seinem Diskussionsbeitrag skizzierte er folgende fünf Problempunkte einer gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit nach dem betriebsbezogenen Mehrheitsbegriff:

1. Im Tarifvertragsgesetz ist geregelt, dass Gewerkschaften für ihre Mitglieder Tarifverträge aushandeln und abschließen. Der Gesetzgeber würde sich in Widerspruch setzen, wenn er der Minderheitsgewerkschaft in einem anderen Gesetz dieses Recht nicht gewährt, nur weil sie weniger Mitglieder nachweisen kann als die Mehrheitsgewerkschaft.

2. In seiner Konsequenz angewandt kann der betriebsbezogene Mehrheitsbegriff zur Anwendung unterschiedlicher Tarifverträge in einem Unternehmen führen, und zwar abhängig davon, in welchem Betrieb des Unternehmens welche Gewerkschaft die meisten Mitglieder hat. Auf Flächentarifverträge bezogen ist der betriebsbezogene Mehrheitsbegriff nicht praktikabel und würde Minderheitsgewerkschaften erheblich benachteiligen, die zwar nicht auf Ebene des Flächentarifvertrages, aber in einem oder mehreren Unternehmen nachweislich die meisten Gewerkschaftsmitglieder organisieren.

3. Der Organisationsgrad aller Gewerkschaften beträgt noch nicht einmal 20 Prozent. In einigen Branchen liegt der gesamtgewerkschaftliche Organisationsgrad bei gerade einmal 10 Prozent. Eine Gewerkschaft, die z.B. gerade einmal 8 Prozent der Arbeitnehmer organisiert, kann nicht als Mehrheitsgewerkschaft bezeichnet werden. Eigentlich dürfte in diesen Branchen gar kein Tarifvertrag zur Anwendung kommen.

4. Ein Rechtsstreit über die Anwendung über die Frage, welche Gewerkschaft die Mehrheitsgewerkschaft ist, kann über drei Instanzen gehen und mehrere Jahre dauern. Während dieser Zeit besteht erhebliche Rechtsunsicherheit und die Gefahr der Rückabwicklung von Tarifverträgen, sollte sich herausstellen, dass eine andere Gewerkschaft die richtige Mehrheitsgewerkschaft ist.

5. Minderheitsgewerkschaften können während der Laufzeit eines Tarifvertrages der Mehrheitsgewerkschaft Mitglieder werben und dadurch zur neuen Mehrheitsgewerkschaft werden. Gemäß dem betriebsbezogenen Mehrheitsbegriff müsste sie dann das Recht haben, einen Tarifvertrag durchzusetzen, der den Tarifvertrag der alten Mehrheitsgewerkschaft noch während seiner Laufzeit ersetzt.

Im Laufe der Debatte wurde den Teilnehmern der Abteilung Arbeitsrecht ein verändertes Beschlusspapier zum Thema Tarifeinheit ausgeteilt. In der Abstimmung am Nachmittag verzichtete die Abteilung Arbeitsrecht sogar gänzlich auf eine Beschlussfassung. Die DHV begrüßt diese Entscheidung des 70. Deutschen Juristentages. Sie hofft, dass die Bundesregierung dem Beispiel folgen und auf eine Weiterverfolgung des Gesetzesvorhabens zur Tarifeinheit verzichten wird.

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Gedruckt am 29.03.2024 11:01.