Stellungnahmen
Stellungnahme des Christlichen Gewerkschaftsbundes Deutschlands zum Gesetzentwurf zur Leistungssteigerung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente
Berlin, den 20. April 2011
I.) Vorbemerkung
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 29. März 2011 ein Eckpunktepapier für ein Gesetz zur "Leistungssteigerung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente" veröffentlicht, auf welchem der jetzt vorliegende Gesetzentwurf fußt. Priorität und Zielsetzung des Gesetzentwurfs sollen eine "Weiterentwicklung" der erst im Jahr 2005 vorgenommenen Änderungen der arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente sein. Nach den Ausführungen des Referentenentwurfs sollen unter anderem Arbeitsvermittlungen effizienter gestaltet, Suchprozesse abgekürzt und ein Beitrag zur Verringerung der Arbeitslosigkeit geleistet werden. Diese Zielsetzung für sich genommen ist noch kein Grund des CGB zur Kritik, wenn nicht aus der Zielsetzung zugleich der feste politische Wille hervorträte, mit der strukturellen "Effizienzsteigerung" gleichzeitig haushaltswirksame Einsparungen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro im Jahr 2012 und ab dem Jahr 2013 jährlich 3 Milliarden Euro zu erreichen.
Es ist diesseits in keinster Weise nachvollziehbar, wie eine Umgestaltung arbeitsmarktpolitischer Instrumente bei Steigerung von Effizienz und Qualität gleichzeitig Einsparungen in dieser immensen Höhe erwirtschaften sollen, die sich dann auch noch positiv auf den Arbeitsmarkt und die Chancen von arbeitslosen Menschen auswirken. Diese Kombination erinnert an den Versuch die Quadratur des Kreises zu verwirklichen. Die deutliche Reduzierung arbeitsmarktpolitischer Instrumente kann nicht zu einer Effizienzsteigerung führen, da dem System Handlungsmöglichkeiten entzogen werden, auf die individuale Bedürfnisse aufbauen.
Grundsätzlich unterstützt auch der Christliche Gewerkschaftsbund die Ziele des BMAS, mehr Dezentralität, Flexibilität, Individualität, höhere Qualität und mehr Transparenz zu erreichen. Allerdings nicht vor dem Hintergrund eines Einsparpotentials zur Haushaltsanierung. Ziel muss es sein mehr Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu bringen. Unglücklicherweise gibt der Gesetzentwurf in seiner derzeitigen Form großen Anlass zu Bedenken, denn ob dieses Ziel mit der aktuell geplanten Umsetzung erreicht werden kann, ist nach diesseitiger Sicht zumindest fraglich. Auch die Verwendung von Haushaltsmitteln wirft unter diesem Gesichtspunkt Fragen auf. Sollten sich überraschenderweise tatsächlich Synergieeffekte mit Einsparvolumina ergeben, so müssen diese Mittel nach diesseitiger Ansicht in die Bekämpfung und Verhinderung von Arbeitslosigkeit durch individuelle Unterstützung bei Aus- und Weiterbildung, bzw. Beschäftigungsprojekte fließen.
Es entsteht diesseits der Eindruck, dass unter dem Deckmantel der Effizienzsteigerung der Systeme die eigentliche und tatsächliche Zielsetzung in der Kostenminimierung liegt. Dies zeigt sich sehr deutlich in den recht umfangreichen Ausführungen über die zu erwartenden Einsparvolumina. Dies ist umso bedauerlicher angesichts der Entwicklung im Bereich der sog. Bildungsgutscheine. Wir möchten an dieser Stelle bewusst in Erinnerung bringen, dass aufgrund bürokratischer Hemmnisse im Antragsbereich und ungenügender Information aktuell erst ca. 2 % aller Anspruchsberechtigten die ihnen zustehende Leistung in Anspruch nehmen. Fast könnte angenommen werden, dass durch Aufbauen von bürokratischen Hemmnissen, wie etwa komplizierter und ausufernder Antragsgestaltung mit erforderlichem Einzelnachweis jedes Kostenfaktors, die Inanspruchnahme einer Leistung bewusst erschwert wird.
Die mit dem Gesetzentwurf einhergehende, deutliche Steigerung bürokratischer Anforderungen, welche der Zielsetzung (Effizienzsteigerung, höhere Flexibilität, höhere Qualität, mehr Transparenz) diametral entgegensteht, bestätigt leider diese Einschätzung und macht den Vergleich zu der aktuellen Entwicklung im Bereich der Bildungsgutscheine tragfähig.
An dieser Stelle nutzen wir die Gelegenheit auf den Problemkreis der Zweckentfremdung von Mitteln hinzuweisen. Die sog. „rechtskreisübergreifenden“ Arbeitsmarktpolitik birgt zwangsläufig die Gefahr in sich, dass Mittel eben aufgrund der Verquickung sachfremd eingesetzt werden.
Bereits im laufenden Jahr hat die selbstverwaltete Arbeitslosenversicherung mit der, jedem potenziellen Langzeitarbeitslosen anzubietenden sechsmonatigen ganzheitlichen Maßnahme mit qualifikatorischen Elementen, ein Instrument etabliert, dessen Finanzierung im Grenzbereich zu den steuerfinanzierten Leistungen des ALG II Bereichs liegt. Dies ist im konkreten Fall nach unserer Auffassung vor dem Hintergrund des politischen Willens möglichst viele Menschen mittel- und langfristig in sozial versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu bringen, durchaus tragfähig. Aber es ist dennoch darauf zu achten, dass die Arbeitslosenversicherung nicht in eine finanzielle Verantwortung der Fürsorgeleistung im SGB II-Bereich gebracht und insoweit die stattliche Verantwortung hierfür auf die Arbeitslosenversicherung delegiert wird.
II.) Nähere Betrachtung
Qualitätssteigerung
Der Gesetzentwurf basiert auf der Überlegung den handelnden Personen in der Vermittlung einen größeren Ermessensspielraum zu geben und dies wirksamer zu kontrollieren. Dies soll einhergehen mit einer Effizienzsteigerung bei gleichzeitiger haushaltswirksamer Kostenreduzierung. Belastet wird diese Überlegung zwangsläufig durch die Übertragung der Kosten der „Grundsicherung für Ältere“ weg von den Kommunen hin zur Bundesebene im Rahmen der Einigung zu den Hartz IV Regelsätzen. Die Entlastung des kommunalen Bereichs wird zwingend zur Erhöhung des finanziellen Drucks im hier diskutierten Bereich führen. Es überrascht diesseits insofern nicht, dass die im Gesetzentwurf geplanten Einsparvolumen mit der Kostenentlastung der Kommunen einhergehen. Auch die im Bundestag beschlossene Kürzung der Mittel für die aktive Arbeitsförderung wird sicherlich nicht zur Qualitätssteigerung der Vermittlungstätigkeit beitragen können.
Der CGB tritt für Vermittlungsaktivitäten ein, die auf eine existenzsichernde, qualifizierte und nachhaltige Beschäftigung ausgerichtet sind. Dies ist mit der angedachten neuen gesetzlichen Regelung nicht sicher gestellt. So wurde beispielsweise im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2010 das Programm „Flankierung des Strukturwandels“ aufgenommen. Die Bundesagentur für Arbeit hat hiermit einen Mechanismus entworfen, mit dem auf den regionalen und/oder branchenbezogenen Strukturwandel reagiert werden kann. Über diese Mittel können unter anderem Qualifizierungen von Menschen, die ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben können, finanziert werden. Diese Möglichkeit dürfte vor dem Hintergrund der geplanten Regelung wegfallen, wodurch Arbeitslose weiterer Chancen beraubt werden. Dies kann in dieser Form nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.
Ob unter diesen Voraussetzungen die proklamierte Qualitätssteigerung tatsächlich erreichbar ist, ist zumindest fraglich. Es steht viel mehr zu befürchten, dass arbeitsmarktpolitische Kürzungen, der Abbau von Rechtsansprüchen und die bloße Konzentration der aktiven Arbeitsmarktpolitik auf eine schnelle Vermittlung von Arbeitssuchenden in keiner Weise der proklamierten Zielsetzung gerecht wird. Es wird diesseits befürchtet, dass die Förderung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit, die Chancengleichheit und vor allem die Vermeidung sog. prekärer Beschäftigungsverhältnisse demgegenüber weiter vernachlässigt wird. Sozial ist eben nicht nur das was Arbeit schafft, es kommt auch eklatant auf soziale Arbeitsbedingungen mit adäquatem Einkommen an.
Der CGB bedauert sehr, dass die Zielsetzung des Gesetzgebers bei der Effizienzsteigerung der Mechanismen und etwaigen Einsparpotentialen aufhört. Bereits die gesetzgeberische Zielsetzung ist aus unserer Sicht zwingend um die Wertigkeit der Beschäftigung, verbunden mit einem Einkommen über der statistischen Armutsgrenze - zumindest bei Vollzeitbeschäftigung –, zu erweitern.
Auch systemimmanente Probleme greift der Gesetzentwurf gerade nicht auf, insbesondere verpasst der Gesetzgeber die Gelegenheit die Aufteilung der Arbeitsmarktregelungen in zwei Rechtskreise mit jeweils unterschiedlichen Regelungen und Steuermechanismen zu korrigieren. Hier wird unglücklicherweise die Chance vergeben neben dem Beschäftigungsstand auch die Beschäftigungsstruktur und damit die Qualität der Beschäftigung an sich zu verbessern.
Aus- und Weiterbildung
Diesseits wird aber durchaus positiv gewürdigt, dass der Gesetzgeber die Ausbildungsproblematik erkennt und im Gesetzentwurf konsequent die Steigerung und Erweiterung von individuellen beruflichen Kompetenzen und Fähigkeiten fordert und umsetzt, um Arbeitslosigkeit entgegen zu wirken.
Ein weiterer positiver Ansatz könnte sich hier in einer prägnanteren Ausgestaltung der Regelungen im Hinblick auf den Berufseinstieg finden, da ohne oder mit schwachem Ausbildungsabschluss die Chancen am Arbeitsmarkt sehr ungünstig sind. Insofern müssen gerade die Fähigkeiten und Kompetenzen von Jugendlichen entwickelt werden. Nach Auffassung des CGB muss diese Überlegung stärker in dem Gesetzentwurf berücksichtigt werden, denn die Zahl von Jugendlichen ohne Berufsabschluss ist in den vergangenen Jahren konstant hoch. Insbesondere hier muss Aus- und Weiterbildungsförderung ansetzen. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es sachgerecht die Beratung und Begleitung von Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit zu übertragen, um diese bundesweit in gleicher Qualität anzubieten. Damit zwingend einher gehen muss ein ausreichendes Budget zur Finanzierung der entsprechenden Maßnahmen.
Zwar ist berufliche Ausbildung und Qualifikation eine Aufgabe der Arbeitgeberseite, aber die arbeitsmarktpolitischen Instrumente sind hier naturgemäß nicht außen vor. Vielmehr sind hier flankierende Maßnahmen zu schaffen, die allerdings flexibel und individuell auf die jeweilige Situation angepasst werden müssen. Vor diesem Hintergrund stellt der Gesetzentwurf eine konsequente Entwicklung dar, da den handelnden Personen vor Ort mehr Ermessensspielraum in Einzelfallentscheidungen eingeräumt wird. Dieses Konzept wird dann tragfähig sein, wenn der Ermessensspielraum auch entsprechend ausgeübt wird. Hier liegt nach unserer Erfahrung gleichzeitig ein großer Problemkreis. Aus der Begründung ergibt sich, dass die arbeitsmarktpolitischen Instrumente um die bereinigt werden sollen, die nicht wirksam oder „nachgefragt“ sind. Hier stellt sich die Frage, wieso Instrumente nicht „nachgefragt“ werden. Es werden hier auch Hemmnisse vor Ort, insbesondere die Nichtausschöpfung des eigenen Ermessensspielraums, bürokratische Hürden, wie die Flut der Antragsformulare und mangelnde Bewerbung der eigenen Maßnahmen eine wesentliche Rolle spielen. Der aktuelle Gesetzentwurf greift diese Problematik unglücklicherweise kaum auf.
Vermittlung und Beschäftigtenschutz
Erklärtes Ziel der Arbeitsförderung im SGB II und SGB III ist heute im Grundsatz ausschließlich die schnelle Vermittlung von Arbeitslosen in eine Arbeitsstelle. Diesem Ziel wäre grundsätzlich zuzustimmen, wenn die Zumutbarkeitsregelung nicht so verschärft worden wären, dass Beschäftigung auch zu Bedingungen angenommen werden muss, die die Existenz nicht sichern können. Konsequenz dieser Entwicklung muss eigentlich sein, die Zielsetzung um die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse selbst zu erweitern. Diese Überlegung lässt der Gesetzentwurf aber bislang nicht erkennen.
Vermittlungstätigkeit hat nach unserer Beurteilung die Aufgabe, die Qualität des Arbeitsmarktes zu stärken. Es ist zumindest fraglich, ob private Vermittler die Qualität der Arbeitsvermittlung positiv beeinflusst haben. Unserer Beobachtung nach ist dies nicht der Fall, vielmehr zeigt die Praxis, dass die Bundesagentur für Arbeit bei gleichem Personaleinsatz effizienter arbeiten kann. Das spricht aber nicht gegen den Einsatz privater Arbeitsvermittler. Vielmehr bietet das Gesetzvorhaben jetzt die Möglichkeit, eine bessere Verzahnung von öffentlicher und privater Arbeitsvermittlung zu erreichen. Ziel muss es sein, möglichst viele Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu bringen. Der Gesetzentwurf liefert hierfür praktikable Ansätze, die aber noch um eine „Aufgabenverteilung“ zwischen öffentlicher und privater Arbeitsvermittlung zur schärferen Profilabgrenzung verbessert werden könnten.
Die Vermittlungstätigkeit korrespondiert im gesetzlichen Kontext mit dem Begriff „Erwerbsfähigkeit“. Dieser Begriff ist in Deutschland im internationalen Vergleich sehr weit, nach Meinung des CGB deutlich zu weit, gefasst. Es ist eine mehr als bedauerliche Tatsache, dass viele, als erwerbsfähig eingestufte, arbeitsuchende Menschen in den letzten sechs Jahren keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sind. Die sinkende Arbeitslosigkeit wird diese Entwicklung deutlicher in den Vordergrund treten lassen, da zunächst die Menschen in Arbeit vermittelt werden, die dem regulären Arbeitsmarkt am nächsten stehen, mithin sich der prozentuale Anteil der nicht oder nur schwer vermittelbaren Arbeitslosen erhöht.
Neben den finanziellen Auswirkungen dieser Entwicklung, stellt sich zwangsläufig die Frage, ob und wenn ja wie über den Begriff der „Erwerbsfähigkeit“ neu nachgedacht werden muss und ob die aktuelle Definition der „Erwerbsfähigkeit“ die tatsächliche Realität widerspiegelt. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, die aktuelle Gesetzesinitiative auch zu einem Überdenken des Begriffes „Erwerbsfähigkeit“ zu nutzen und diesen insofern weniger restriktiv zu fassen, als dass der ursprüngliche Berufsschutz wieder zum tragen kommt.
Der Gesetzentwurf würde auch die Möglichkeit bieten, Mechanismen zum Schutz der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer (wieder) zu etablieren. Ein Baustein könnte die Widereinführung der Erstattungspflicht des Arbeitslosengeldes für Arbeitgeber, die langjährig beschäftigte ältere Arbeitnehmer ohne zwingenden Grund entlassen, sein. Diese Überlegung würde auch im Kontext zu den haushaltswirksamen Einsparvolumina stehen und entsprechende Geldmittel könnten zweckgebunden zur Finanzierung von Integrationsmaßnahmen von älteren Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt verwendet werden.
Dieser Denkansatz korrespondiert mit der Überlegung, Anreize zur Beschäftigung für Menschen mit Vermittlungshemmnissen zu schaffen, die sich eben wegen dieser Hindernisse besonderen Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche gegenüber sehen. Ein Ansatzpunkt, der in dem vorliegenden Gesetzentwurf hätte Beachtung finden können, ist die Etablierung, respektive deutliche Ausweitung eines Eingliederungszuschusses für Arbeitgeber, die Arbeitnehmer trotz bestehender Vermittlungshemmnisse beschäftigen. Vorbild einer derartigen Überlegung könnten die Regelungen zur Integration von behinderten Menschen in den Arbeitsmarkt sein. Vor dem Hintergrund nachhaltiger Beschäftigungspolitik macht dieser Ansatz auch Sinn, da regelmäßig geförderte Arbeitnehmer längere und kontinuierlichere Beschäftigungszeiten aufweisen und damit weitaus eher den Schritt in nicht geförderte Beschäftigung schaffen, als andere Arbeitnehmer. Nach Ansicht des CGB muss dieser Aspekt ebenfalls stärker gewichtet werden.
Zusammenfassend ist als wichtigstes Kriterium festzuhalten, dass nicht ausschließlich Beschäftigung um jeden Preis im Mittelpunkt der Betrachtung stehen darf. Dies führt zwangsläufig dazu, dass Arbeitsverhältnisse in Kauf genommen werden, die die Qualifikationen und die persönlichen Möglichkeiten der Arbeitsuchenden außer Acht lassen.
Arbeitsangelegenheiten in der Mehraufwandsvariante (Ein – Euro - Jobs)
Mit der Etablierung der sog. Ein – Euro – Jobs verfolgte der Gesetzgeber den in der Sache durchaus richtigen Grundgedanken, die Beschäftigungsfähigkeit von Menschen außerhalb des Arbeitsmarktes zu erhöhen und damit die Menschen wieder an den Arbeitsmarkt und entsprechend zu integrieren. Im Rückblick ist festzustellen, dass aktuell die Ein – Euro – Jobs die häufigste Maßnahme zur Integration schwer vermittelbarer Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt sind. Problematisch ist die praktische Umsetzung der Maßnahme vor Ort, da sie oft zu ungenau angewandt wird, indem sie sich gerade nicht an Arbeitsmarkt ferne Menschen richtet. Weiteres Problem ist die Gefahr der Verdrängung regulärer Beschäftigungsverhältnisse durch den Einsatz von Ein – Euro - Jobs.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist nach diesseitiger Überzeugung insoweit zu konkretisieren. Die Vermittlung von Ein – Euro – Jobs muss zielgenauer anhand festgelegter Vorgaben explizit an Menschen gerichtet werden, die tatsächlich vom regulären Arbeitsmarkt entfernt sind. Dem leider weit verbreiteten „Gießkannenprinzip“ bei der Vermittlung der Beschäftigungsmöglichkeiten, muss mit klareren Rahmenregelungen begegnet werden. Gleiches gilt für die Problematik der Verdrängung von regulärer Beschäftigung. Nach unserer Auffassung müssten der Bundesagentur für Arbeit neben stringenteren Vorgaben zu den Ein – Euro - Jobs selbst auch stärkere Kontrollmechanismen mit mehr Sanktionsmöglichkeiten an die Hand gegeben werden. Ein Ansatzpunkt hierfür könnte die Überlegung sein, Ein – Euro – Jobs im Rahmen eines Integrationsplans in den Arbeitsmarkt zu verwenden. Ein – Euro – Jobs könnten in einem Integrationsplan die erste Stufe der Heranführung an den regulären Arbeitsmarkt sein, gefolgt von Qualifizierung und geförderter Beschäftigung mit dem Ziel in nicht geförderte Beschäftigung zu kommen. Der vorliegende Gesetzentwurf gäbe genug Raum, einen Integrationsplan zu regeln.
Vereinfachung der Arbeitsmarktinstrumente
Gestrichen werden nach dem vorliegenden Entwurf im SGB III u.a. der Einstellungszuschuss bei Neugründungen, die Förderung der beruflichen Weiterbildung durch Vertretung (Jobrotation) und die Beschäftigung schaffenden Infrastrukturmaßnahmen. Zusammengefasst werden das Vermittlungsbudget (bisher Unterstützung der Beratung und Vermittlung), die Mobilitätshilfen und die freie Förderung, sowie die Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung. Neu geschaffen wird die sog. „Erprobung innovativer Ansätze“ (Experimentiertopf) mit einem Volumen von einem Prozent des Eingliederungstitels für Projekte mit einer Laufzeit von maximal zwei Jahren und einem Höchstbetrag von 2 Mio. Euro pro Projekt und Jahr.
Aufgrund der vorgesehen strukturellen Veränderungen, ist es aus Sicht des CGB höchst zweifelhaft, ob eine Vereinfachung der Arbeitsmarktinstrumente erreicht werden kann. Angedacht ist eine Steigerung der Effizienz durch weniger Bürokratie, mehr Transparenz und flexiblere Möglichkeiten für eine optimale Förderung im Einzelfall. Es deutet sich aus unserer Sicht jedoch eine stärkere Bürokratisierung verbunden mit größerem Vollzugsaufwand an, der der gewünschten Optimierung der Förderung im Einzelfall entgegensteht und als Hemmschuh wirkt.
Dabei rechtfertigen die Ergebnisse der letzten Jahre grundsätzlich die angedachte konsequente Fortführung der dezentralen Ausgestaltung verbunden mit größeren Handlungsspielräumen vor Ort. Das von der Bundesagentur verwendete System zur Evaluation und Wirkungsprognose TrEffeR (Treatment Effect and Prediction) bewirkt einen effizienten und zielgenauen Einsatz von Arbeitsförderungsinstrumenten. Insofern stellt sich diesseits dann aber doch die Frage, weswegen – ausgenommen natürlich die angestrebten Einsparvolumina – es überhaupt einer so gravierenden Novellierung der Mechanismen selbst bedarf. Nach Beurteilung des CGB würden punktuelle Verbesserungen bei uneingeschränkter Beibehaltung der Instrumente, die nach eigenen Ausführungen des Referentenentwurfs in den vergangenen vier Jahren optimal funktioniert haben, wesentlich eher zur Qualitäts- und Effizienzsteigerung beitragen.
Die Zusammenfassung der Arbeitsförderungsinstrumente, ist kaum geeignet eine tatsächliche Vereinfachung zu erreichen, da sie der Sache nach ohnehin erhalten bleiben und lediglich in Themengruppen zusammengefasst werden. Dies kann der Sache nach auch kaum der Transparenz dienen, da Mechanismen und Instrumente stärker verschachtelt werden und somit noch weniger „auf den ersten Blick“ ersichtlich sind. Es wird weiterhin an bis ins kleinste Detail geregelten, umfangreichen Fördervorschriften festgehalten.
Eine tatsächliche Vereinfachung in der Anwendung, wie auch in den Regelungsmechanismen könne beispielsweise dadurch erreicht werden, dass nur wenige Fördertatbestände quasi als generelle Rahmenregelung gesetzlich vorgegeben werden und die praktische Ausgestaltung vor Ort den handelnden Personen im Wege einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung übertragen wird. Dies würde Spielräume auch für unorthodoxe, aber der jeweiligen speziellen Situation des betroffenen Arbeitnehmers geschuldete Lösungen eröffnen. Als Beispiel mögen die diversen Zuschussmodelle gelten. Es wäre praktikabel, die Höhe und die Dauer des Zuschusses in das Ermessen des Arbeitsvermittlers nach einer sachgerechten Prüfung der jeweiligen Vermittlungshemmnisse, wie auch der Leistungsstärke des Arbeit gebenden Unternehmens zu stellen.
Ein konsequenter Ansatz hierfür liegt bereits in der vorgesehenen Einführung eines Vermittlungsbudgets, mit dem bislang einzeln geregelte Arbeitnehmerleistungen der Arbeitsförderung zusammengefasst und ersetzt werden sollen. Dem jeweils zuständigen Arbeitsvermittler wird hiermit eine flexible und bedarfsgerechte Möglichkeit an die Hand gegeben, um im konkreten Einzelfall die von der jeweils betroffenen Person tatsächlich benötigte Hilfe rasch und vor allem unbürokratisch umsetzen zu können. Der CGB teilt die Einschätzung aus der Begründung, dass im Mittelpunkt die Beantwortung der Frage stehen muss, welche Vermittlungshemmnisse schnell beseitigt werden müssen.
Ebenso positiv ist vor dem Hintergrund dieser Überlegung der angedachte Experimentiertopf zu sehen, mit dem ein begrenztes Budget zur Erprobung innovativer arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen etabliert wird. Im Kontext der anderen arbeitsmarktpolitischen Instrumente wird dem Experimentiertopf die Aufgabe der Projektförderung zufallen. Da diese Art der Förderung in Richtung innovativer, also bislang nicht üblicher Maßnahmen geht, ist es nach Ansicht des CGB wichtig, über dieses Budget möglichst frei verfügen zu können. Um dies zu erreichen könnte über eine Abkoppelung vom klassischen Vergaberecht nachgedacht werden.
Zusammenfassend ist aus Sicht des CGB zu sagen, dass der Referentenentwurf sich zu weit von Mechanismen entfernt, die nach eigener Einschätzung bisher optimal funktioniert haben. Gleichzeitig werden aber auch strukturelle Verbesserungen etabliert, die geeignet sind, bekannte Probleme zu beseitigen. Unglücklicherweise steht der Entwurf im Wesentlichen unter der Prämisse der beschlossenen Einsparungen. Dies lässt den Entwurf mehr als zwiespältig und fraglich erscheinen. Nach Ansicht des CGB wird hier an der völlig falschen Stelle gespart, wodurch die Gefahr besteht, dass die erreichten Erfolge der letzten Jahre revidiert werden. Nach unserer Auffassung wäre gerade jetzt die Zeit, mehr in die Arbeitsförderung, vor allem in kontinuierliche und nachhaltige Aus- und Weiterbildung zu investieren.
Christian Hertzog
Generalsekretär
Gedruckt am 11.12.2024 11:21.